Dienstag, 13. September 2011

Und Guttenberg ging zu Ground Zero

Unter der Überschrift "Guttenbergs Ground-Zero-Show" gibt Annette Ramelsberger in der "Süddeutschen Zeitung" dem emigrierten Ex-Bundesminister, der seinen Neuanfang in den USA vor der Presse am Gelände des World Trade Center inszenierte, den Rat:
Anstand hat oft auch mit Zurückhaltung zu tun. Oder wie Curt Goetz sagt: Einfach mal die Gelegenheit nützen und den Mund halten. Damit das Gedenken an die Opfer des Terrors im Mittelpunkt steht. Und nicht die eigene Show.
Angesichts des allgegenwärtigen Medien-buzz zum Thema 9/11 weiß man nicht so recht, ob man dieser neuen Variante von Guttenberg-Schelte wirklich zustimmen sollte. D.h., natürlich ist die Aktion wie schon andere Pressearbeiten zu Guttenbergs eher aufdringlich. Aber dafür ist hier die journalistische Haltung nun etwas willkürlich: Besteht "Anstand" für alle anderen darin, in die immergleiche Litanei - immerhin im Abstand von 10 Jahren zum tragischen Ereignis - zu verfallen? Je nachdem, inwieweit man den Regierungsinformationen zu 9/11 traut oder der einen oder anderen Verschwörungstheorie zuneigt, würde "Anstand" auch noch in ganz anderen Äußerungen und Maßnahmen bestehen. Und da hätte Annette Ramelsberger eine Menge zu tun, um unter ihren Kollegen "Anstand" durchzusetzen: nicht in pathostriefenden Formeln vermeintliche "Wahrheiten" zu verkaufen, die man selbst weder überprüft hat noch, vorerst, in vielen Fällen überprüfen kann; nicht einer von Interessen der Waffenindustrie und anderer Industriezweige Kriegsstrategie das Wort zu reden, die die USA an den äußersten Rand der Staatspleite getrieben hat.

"Anstand" besteht eben auch darin, sich zu fragen, ob man weiß, was "Anstand" ist und die Grundlagen dieses Wissen selbst zu reflektieren. Und dann abzuwägen, was dringlicher zu tun ist, im Falle von Journalisten: Welche Artikel man tatsächlich schreiben sollte und auf welche man stattdessen verzichten kann.

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